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Weißblaue Wahrheiten – Gerhard Polt und die „Wellbrüder“ setzen im Saalbau auf Kontinuität, auch wenn man nicht alles versteht

 

Neustadt. Eine große Familie kann ein echter Segen sein: Anfang 2012 trennten sich die legendären „Biermösl Blosn“ Hans, Christoph und Michael Well im Streit, doch die Volksmusikantenfamilie aus Günzelhofen bei Fürstenfeldbruck besteht aus insgesamt 15 Geschwistern, und so machen Stofferl und Michael jetzt eben mit Bruder Karli unter dem Namen „Die Wellbrüder aus’m Biermoos“ nahtlos da weiter, wo sie seinerzeit aufgehört haben. Dass ihr langjähriger Partner Gerhard Polt ein Muster an Kontinuität ist, versteht sich ohnehin von selbst, und so gab es am Donnerstag im restlos ausverkauften Saalbau mehr als ein Déjà-vu für die begeisterten Fans.

Gerhard Polt

Auch all diejenigen, die schon 2006 beim letzten Neustadter Polt-Gastspiel im Saalbau mit dabei waren, als der Kulturverein Wespennest sich und sein Publikum zum 25. Geburtstag etwas Besonderes gönnte, konnten sich jetzt um ein paar Jahre zurückversetzte fühlen: das gleiche wilde Instrumenten-Sammelsurium auf der Bühne, die gleiche minimalistische Ausstattung mit drei Stühlen links für die Musiker und eine, etwas abgerückt, rechts für Polt. Auf dem sitzt der „exorbitante Kabarettist“ (Polt über Polt) dann teilnahmslos mit verbiesterter oder im besten Fall gelangweilten Miene, während die Well-Brüder ihre G’stanzl singen. Dass er sich aufs beredte Schweigen versteht, hat er ja schon 1980 bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises bewiesen, als er auf die Zensur seines Manuskripts durch das ZDF dadurch reagierte, die ihm als Preisträger eingeräumten zehn Minuten Redezeit einfach gar nichts zu sagen. Auf „Youtube“ kann man diese Sternstunde der deutschen Fernsehunterhaltung noch heute besichtigen.

Inzwischen ist der Münchner 70 und schlüpft, wenn er sich denn mal erhebt, um ans Mikro zu treten, immer noch am liebsten in die Rolle des bornierten Normalbürgers oberbayerischer Prägung, der sich von seinem beschränkten Horizont und seinen ebenso begrenzten sprachlichen Möglichkeiten nicht davon abhalten lässt, seine Meinung über alles und jedes kundzutun. Er gibt den nicht ganz nüchternen Vereinsmeier von der Feuerwehr, der sich über die negative Berichterstattung des Lokal-Fernsehens erregt – Hauptvorwurf: die Anzahl der verzehrten Rollbraten war nicht korrekt. Er schlüft in die Rolle des stellvertretenden Kreissparkassendirektors, der einen Kunstpreis zu vergeben hat, sich aber eigentlich nur für das Foto von der Scheckübergabe in der Lokalzeitung interessiert. Und auch als passionierter Autofahrer („Fußgängerei ist für mich gelaufen“) und als Sammler von CSU-Devotionalien, wobei er ganz nebenbei einige der Leichen im Partei-Keller ausgräbt, macht er eine gute Figur

Die „Wellbrüder“ verstehen etwas von Musik und switchen virtuos zwischen den Stilen.

Was er vorträgt, meist mit mürrischer Grantler-Miene und sichtlich überfordert von der eigenen, verwickelteren Gedankengeängen, ist ein grandioses Spiel mit Klischees, immer entlarvend, oft auch wirklich komisch, manchmal aber auch so dumpfbackig, dass man ähnlich wie bei seinem saarländischen Kollegen Gerd Dudenhöffer am liebsten schreiend davonlaufen würde. Nur einmal, als Papst Benedikt XVI., zeigt der Kabarettist, dass er auch ein begnadeter Parodist ist: Im virtuos imitierten Ratzinger-Singsang vrbreitet er einen italienisch-lateinisch-bayerischen Nonsens-Mischmasch, bei dem man nur Brocken wie „Bunga Bunga“ oder „Brotzeit bavarese“ heraushören kann. Noch mehr Beifall erhält der Sprachartist nur noch für seine Darbietungen als Flamenco-Sänger und als arabischer Eiferer. Ein Running Gag ist der Biergarten-Philosoph und dessen Warnung vor der mangelnden Transparenz von Steingutkrügen, weswegen einem unversehens ein „Auswurf oder Lungenhering“ in den Hals geraten kann.

Auch über Mehrheit und Minderheit muss sich Polt äußern, was einen dazu bringt, dass in seinem eigenen Programm eigentlich selbst in der Minderheit ist. Denn wie früher schon die „Biermösl Blosn“ bestritten auch die „Wellbrüder aus’m Biermoos“ mit ihrer satirisch überformten Stubenmusi den größteren Teil des Abends – auch wenn das Neustadter Publikum höchstwahrscheinlich nur die Hälfte der subversiven Texte verstanden hat. Dabei erwiesen sie sich gleich zu Beginn als gut gebrieft, denn sie sezieren die Neustadter Lokalpolitik bis hinab in kleinste Verästelungen. Und im „Divertimento bavarese“ von Mozart angeblich bei einem Zwangsstopp in ihrer Heimat komponiert, zeigen die Multiinstrumentalisten, dass sie ihr Handwerk wirklich können. Der Stofferl und der Michael haben schließlich nicht umsonst mal bei den Münchner Philharmonikern gespielt. Der Karli fügt sich dabei so gut ins Trio ein, dass man den Hans nicht wirklich vermisst. Einfach grandios sind ihre Alphorn-Melodien und Christophs Solo als renitenter Milchbauern-Rapper („Fourty Cent oder der Aldi brennt“).

Als Zugabe stimmt Polt dann ein „E-Mam-Be-Le“ an, angeblich ein Stück aus Afrika, das aber vor allem eine Parodie auf den allgemeinen Weltmusik-Hype ist. Der Zwei-Meter-Mann legt dabei stimmliche (und tänzerische) Fähigkeiten an den Tag, die man Ihm nicht unbedingt zugetraut hätte. Und man nimmt mit Erleichterung zur Kenntnis, dass er nicht immer phlegmatisch ist, wie es seine „Besetzung“ bei den Wellbrüden aus’m Biermoos befürchten ließe. ­­

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