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Bajuwarisch-bitterböser Ulk

Drei freundliche Unholde mit Alphorn und Lederhose.
Nicht nur Stubenmusik und Schuhplattler: Die Well-Brüder aus’m Biermoos können auch Gangsta-Rap.

Wenn drei Alphörner von der Bühne bis in die zweite Zuschauerreihe ragen und drei bajuwarische Stubenmusikanten unerbittlich alte und neue Polit-Skandale („Kennen Sie noch den Wiesheu?“) besäuseln, dann kann das nur eins bedeuten: Die Well-Brüder aus’m Biermoos sind da. Im Forum Friedrichsdorf haben sie am Donnerstagabend grandios geschuhplattelt, gejodelt und von den neusten Erkenntnissen ihres Kreisheimatpflegers – der Drechsler-Toni – erzählt. Grotesker bitterböser Ulk war das, garniert unter anderem mit Harfenklängen, Trompete, Tuba, Gitarre, Violine, Bassgeige, Drehleier und Xylophon. Bach gehört zum Repertoire. „Auch wenn der nur ein Protestant war.“ Mozart spielen sie und tanzen dazu Menuett.
Christoph und Michael Well gehörten vorher zu den Biermösl Blosn, die schon zweimal in Friedrichsdorf aufgetreten sind. Ihr Bruder Karl kam von den Guglhupfa. Insgesamt 15 Geschwister zählt die Familie – die drei auf der Bühne stellten sich als die Nummern 12, 13 und 14 vor.

Die Rippen der Heiligen

Über Friedrichsdorf waren sie schon gut informiert, zum Beispiel darüber, dass hier seit 1997 ein Grüner Bürgermeister ist. – „Zu der Zeit san in Bayern die Grünen noch eingsperrt worn.“ Und darüber, dass das historische Marie-Hensel-Haus dringend renoviert werden sollte.
Was es mit den Alphörnern auf sich hatte? Damit kann man prima „Yellow Submarine“, „Bi-Ba-Butzemann“ und „Freude schöner Götterfunke“ spielen, führten sie vor. Und das mit der Länge haben die drei Bayern den Hessen so erklärt: „Das sind Stubenmusik-Instrumente, dass Ihr Euch vorstellen könnt, wie groß unsere Stuben sind.“ Dann kam die Geschichte von der heiligen Algunda von Hausen, aus deren Rippen zuerst – am 30. Februar 1241, einem Samstagnachmittag – ein Musikinstrument gebastelt worden sei, und später Reliquien.
Aber dass jetzt bloß niemand glaubt, dass man mit bayerischer Lederhose keinen Gangsta-Rap singen könne: Rote Wollmütze auf, und schon geht es los, mit der Forderung der Milchbauern: „40 Cent für an Liter Milch – oder Bayern brennt.“
Die Gäste erfuhren dann noch, wie das Jodeln erfunden wurde: Nämlich weil’s damals so viele Schnaken gegeben hat, auf die man immer wieder draufhauen musste. Das wurde dann auch gleich vorgeführt. Und warum zumindest diese Bayern keine Probleme mit der NSA-Affäre haben: „Mein Passwort bringen die Amis eh nicht raus, das heißt nämlich Oachkatzlschwoaf (Eichhörnchenschweif).“ Für die hessischen Gäste hatten die drei freundlichen Unholde zum Schluss noch ein großzügiges Lob: „Ihr warts ein tolles Publikum, auch wenn ihr nicht alles verstanden habts.“
Artikel vom 25.01.2014, 03:00 Uhr (letzte Änderung 25.01.2014, 08:00 Uhr)

von Christiane Paiement-Gensrich

40 Cent in den Münchner Kammerspielen. In ihrem aktuellen Programm „Fein sein, beinander blein“ kämpfen die Geschwister-Well mit dem Milli-Rap für einen fairen Milchpreis. Christoph (Stofferl) Well glänzt als neuer Stern am deutschen Rap Himmel.

Imst – Ein satirisch-musikalischer Rundumschlag: Gerhard Polt und die Wellbrüder aus’m Biermoos beim TschirgArt Jazzfestival.

Der Tiroler Landtagswahlkampf wurde nicht nur hierzulande genau beobachtet und mitunter hitzig diskutiert. Auch im beschaulichen Hausen in Oberbayern machte man sich über die offensichtlich mehrheitsfähige Angst vor „italienischen Verhältnissen“ Gedanken und verarbeitete sie flugs zum hintersinnigen G’stanzl über südliche Nachbarn, die Tirol zukünftig wohl boykottieren dürften. Mit dieser musikalisch aufbereiteten Überlegung eröffneten die Brüder Christoph, Michael und Karl Well am Freitagabend ihren Auftritt beim Imster TschirgArt Jazzfestival. Überhaupt gaben sich die Wellbrüder aus’m Biermoos ortskundig. Sie stichelten gegen den Landeshauptmann. Erinnerten an dessen wenig ruhmreiches Treffen mit Vorzeigekicker David Alaba und sinnierten in leitmotivisch wiederkehrenden Abschweifungen über die Liebe mancher Tiroler Gemeinden, vorzugsweise solcher im Unterland, zum Kreisverkehr. Bei so viel Lokalkolorit waren die Lacher vorprogrammiert. Bereits nach wenigen Minuten hatten die virtuos aufspielenden bayrischen Multik­instrumentalisten das Publikum im Glenthof für sich eingenommen.

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Nur einer lachte nicht. Aber das gehörte zum Programm. Während sich seine Bühnenpartner die Tiefen und Untiefen des Alltags aufs Korn nahmen, saß Gerhard Polt auf seinem Stuhl und beobachtete das Treiben mit mal gelangweilter, mal mürrischer Miene. Erst nachdem die Wellbrüder das Publikum richtig angeheizt hatten, erhob sich dieser grimmige Buddha, trat ans Mikrofon und setzte zu einem seiner inzwischen legendären verbalen Rundumschläg­e an. Scheinbar mühelos – und ohne sich groß zu verändern – schlüpfte der mittlerweil­e 71-Jährig­e dabei in die verschiedensten Rollen. Gab den bier­seligen Philosophen genauso wie den zurückgetretenen Papst.

Alles, was Polt über den Weg und bisweilen über die Leber läuft, kann zum Inhalt einer satirischen Suada werden. Polt schaut den Menschen aufs Maul, stellt die zahllosen phrasendreschenden Lokalpolitiker, großmäuligen Autonarren und wichtigtuerischen Sparkassenleiter mit ihren eigenen Worten bloß. So entlarvt er die spießbürgerliche Sehnsucht nach Gemütlichkeit als rücksichtslose Genusssucht, entwirft das Bild einer Gesellschaft, die immer kurz davor ist, zur Karikatur ihrer selbst zu werden, und sorgt für Lacher, die regelmäßig Gefahr laufen, einem im Hals­e stecken zu bleiben.

Aber auch in den musikalischen Zwischenspiele­n der Wellbrüder kommt anarchische Gesellschaftskritik nicht zu kurz. So gibt Christoph Well „40 Cent“, einen Gangsta-Bauern mit Wollkappe und tief­hängenden Lederhosen, der für gerechte Milchpreis­e rappt, und im anrührenden „S’ Diandl liab’n“ prangern die drei Brüder auf eindrückliche Weise die Scheinmoral kirchlicher Würdenträger an.

von Joachim Leitner

www.tt.com Rappende Milchbauern im Kreisverkehr

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