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Brettlkünstler mit Rhythmus und Biss in Winterthur

Die Well-Brüder aus’m Biermoos kommen ins Casinotheater Winterthur
Die Brüder Well, die bis 2012 als Biermösl Blosn bekannt waren und seither als Well-Brüder aus’m Biermoos auftreten, gastieren «solo» in der Schweiz. Im Casinotheater Winterthur zeigen sie musikalisches Kabarett als Trio ohne Gerhard Polt.
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Winterthur, 10.03.2014: «Schau, das sind die Musiker von Gerhard Polt !», raunt ein Mann seiner Frau zu. Auch andere Gäste, die an diesem Freitagmittag Ende Januar im «Stumpenhof» im schwäbischen Plochingen speisen, recken die Hälse, als Stofferl (Christoph), Michael und Karli Well in die Gaststube treten. Denn Michael und Stofferl Well sind vom Fernsehen her bekannt, wo sie regelmässig als Biermösl Blosn zusammen mit Polt zu sehen sind – oder besser: zu sehen waren. Denn seit dem Weggang des dritten Bruders Hans vor zwei Jahren und nach rund 4200 Auftritten vor ca. 4,5 Millionen Zuhörern gibt es die Blosn nicht mehr. Das neu formierte Trio nennt sich jetzt Well-Brüder aus’m Biermoos . Karli, ein weiterer der 15 Sprösslinge der musikalischen Lehrerfamilie Well aus Günzlhofen im bayrischen Landkreis Fürstenfeldbruck, ersetzte Hans.

Feinschmecker auf Tournee

Derzeit sind die drei Multiinstrumentalisten und Wegbereiter einer neuen, lebendigen bayrischen Volksmusik mit politischem Inhalt ohne Polt unterwegs. Am Vorabend gastierten sie im benachbarten Altbach, und am Nachmittag geht die Reise weiter nach Geislingen in der Nähe von Göppingen. Dass sie zwischen den Auftritten gut essen, hat bei den Well-Brüdern Tradition. «Das hat uns der Gerhard beigebracht», sagt Michael. «Wenn man unterwegs ist, muss man sich das gönnen.» Über die Reiserei lerne man die Gastronomie kennen und mit ihr das Lebensgefühl einer Region, ergänzt Stofferl.

In der Schweiz traten die Musiker bisher selten ohne Polt auf. Deshalb werden sie hierzulande oft als dessen Begleitband betrachtet. Das ist allerdings grundfalsch, denn das Trio und der urige Kabarettist sind in jeder Hinsicht gleichberechtigte Bühnenpartner. Seit 1979 arbeiten sie zusammen. Die Well-Brüder waren von Anfang an für die Dramaturgie zuständig. Schliesslich traten sie seit ihrer Kindheit im Familienverband oder in kleineren Formationen an Feiern, Volkstanzabenden und auf Bühnen auf und lernten dabei sehr viel. «Die Mischung zwischen Wort, Lied und Musik hat der Vater wirklich beherrscht», so erinnert sich Michael.

Dass sie dereinst in einem im «Guide Michelin» aufgelisteten Gourmetrestaurant wie dem «Stumpenhof» auf so viel Sympathie und Wohlwollen stossen und dass manche Gäste sogar an ihren Tisch kommen und mit ihnen ein paar Worte wechseln würden, hätten sich Michael und Stofferl Well kaum träumen lassen, als sie Mitte der siebziger Jahre zusammen mit Hans die Biermösl Blosn gründeten . Damals traten sie auf Alternativbühnen und an Politveranstaltungen auf. Sie hausten in einem bescheidenen alten Bauernhaus in Nassenhausen am Rande des Biermoos, welches wiederum ein Teil des Haspelmoores ist. Das Dorf wurde später als «Hausen» und «Bad Hausen» zu einem zentralen Anker der Programme von Polt und der Brüder Well.

Ihre hochvirtuose Interpretation traditioneller Musik weit weg vom «Musikantenstadl»-Kitsch und ihre spritzigen Dreigesänge gegen den CSU-Filz, den bigotten Klerus, kalte Krieger, profitgeile Hauruck-Kapitalisten, AKW-Turbos und Landschaftszerstörer führten die Biermösl Blosn bald in die Münchner Kleinkunstszene und machten sie zum roten Tuch für die bürgerliche Gesellschaft.

Der bayrische Rundfunk, damals quasi das offizielle Hof-Organ der allmächtigen CSU, boykottierte sie jahrzehntelang und sogar noch, nachdem sie längst in der offiziellen Kulturwelt angekommen waren und zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten hatten. «Aber wir lebten eigentlich ganz gut vom Ruf, nicht im bayrischen Fernsehen auftreten zu dürfen», sagt Michael mit listigem Schmunzeln.

Doch inzwischen hat Deutschland den Atomausstieg beschlossen, die Kirche verliert an Einfluss, und die CSU ist zu einer normalen bürgerlichen Partei geworden. Und Stofferl Well macht regelmässig Sendungen für den bayrischen Rundfunk und besitzt sogar einen Mitarbeiterausweis. Die einstige Problemtruppe ist zum rundum gelobten bayrischen Kulturgut mutiert. «Wenn man sich selber nicht als Institution sieht und lebendig bleibt, ist das aber kein Problem», meint Michael.

Auf Bühnen und in Bierzelten

«Die alten Feindbilder gibt’s halt nimmer, auch wenn man sie gerne noch hätte», sagt Stofferl. «Ein Papst wie der Ratzinger bot eine bessere Angriffsfläche als der Francisco. Fürs Kabarett ist dieser Wechsel schlecht, für die Welt aber sicher gut. Und politisch ist ja ohnehin alles, der Milchpreis ebenso wie die Polizei.» Den mit 40 Cent viel zu tiefen Milchpreis etwa machten die Well-Brüder zum Thema ihres «40 Cent Rap» . Dabei liessen sich der klassisch ausgebildete ehemalige Solotrompeter der Münchner Philharmoniker und seine Brüder von der Musik des Rappers 50 Cent aus der CD-Sammlung von Stofferls 27-jährigem Sohn beeinflussen.

Es liegt auf der Hand, dass die Brüder Well mit einem solchen Musikverständnis bei den «Volksmusik-Ajatollahs» verhasst sind, wie Stofferl die ewiggestrigen Verbandsfunktionäre nennt, die noch immer der im «Tausendjährigen Reich» geprägten «volkstümlichen» Musik anhängen.

In den Bierzelten dagegen, in denen Polt und die Brüder Well ebenso oft auftreten wie auf Theaterbühnen, kommt diese offene Volksmusik gut an. Die Leute gingen ins Bierzelt, weil’s ein von einem Dorfverein organisiertes Fest mit Musik sei, sagt Stofferl. «Die Inhalte nehmen sie aber auch in Kauf. Wenn der Spott mit Humor daherkommt und lustig ist, gefällt ihnen das schon. 70 Prozent der Bayern sind eh Anarchisten. Die lachen über Polizistenwitze genauso wie ein linkes Publikum.» Und das Schönste daran sei, dass sie selber auf der Bühne auch eine Gaudi hätten, betont Karli. «Das Klatschen der Leute ist quasi ein Abfallprodukt.» Aber gewiss kein unerwünschtes, bleibt anzufügen.

 

Von Alois Feusi

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