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Gaudi mit Biss in Zürich

Die Well Brüder und Gerhard Polt im Volkshaus Zürich

ZÜRICH, 15. 12.2013: Der Name und die Besetzung des Trios sind anders, aber sonst ist alles wie gewohnt. Die Wellbrüder aus dem Biermoos , noch bis vor kurzem mit Hans statt Karl Well als drittem Mann als Biermösl Blosn unterwegs und seit Jahrzehnten kongeniale Bühnenpartner von Gerhard Polt , stehen zuverlässig für hinterfotzige Bayern-Gaudi mit viel Biss und noch mehr Hirn.

Christoph, Michael und Karl Well, drei versierte Multiinstrumentalisten zwischen Bach-Trompete und «40-Cent-Milli»-Rap, bauen regionale Merkwürdigkeiten und Skandälchen ganz selbstverständlich in ihre Lieder ein. So singen sie denn bei ihrem Auftritt vom Sonntagabend im Volkshaus unter schenkelklopfendem Beifall des Publikums von der Zürcher Sittenpolizei in der Chilli’s-Bar oder vom Fussballstadion, das ewig nie kommen werde – und das es bei dem traurigen Gekicke der Zürcher Klubs auch nicht brauche. Sie machen das Arbeits- und Asylrechtsverständnis eines Eglisauer Nationalrats und dessen Bezirksrichter-Gemahlin zum Thema, sie singen von der im ganzen Land als Wehrsportgruppe Blocher bekannten Auns, und auch der noch amtierende Bundespräsident sowie der nicht mehr amtierende Leiter des Medizinhistorischen Museums der Universität Zürich sind den Wellbrüdern aus dem Biermoos ein paar spitze Liedzeilen wert.

Auch Gerhard Polt zeigt sich an diesem Abend in sardonischer Spötterlaune. Er schwadroniert vom steuerbehördlichen Schicksalsschlag gegen einen bayrischen Kioskbetreiber mit 5er-BMW, der sich zur Arbeitsmigration in die Schweiz gezwungen sieht. Wie der Zuwanderer schnell eine – vorsichtig ausgedrückt – grenzwertige Sicht zum Dichtestress entwickelt und diese in köstlichem Schweizerdeutsch formuliert, ist ebenso lustig wie erschreckend.

Polt kennt seine Spiesser und karikiert sie präzis. Sein Waschweiber-Diskurs über die Minderheiten und deren Nicht-Rolle in der Demokratie etwa ist grossartig. Sein militanter Nichtfussgänger, der seinen Luxuswagen mit sämtlicher denkbarer Zusatzausstattung konfiguriert, oder sein Tankstellenbesitzer, der einen jugendlichen Gummibärchen-Dieb erschiesst, lassen das Publikum wohlig schaudern. Auch das zum Schreien lustige Stück über die 125-Jahr-Feier der Freiwilligen Feuerwehr Hausen samt derber Schelte für die «Blunzen» vom Lokalfernsehen und deren herabsetzende Berichterstattung lässt einem den Rollbraten hochkommen.

Richtig brechreizend allerdings wird’s bei Polts quälend ausführlicher Schilderung des Vorfalls mit dem «Lungenhering» im tönernen Bierhumpen. Das ist Ekel pur, und dagegen hilft zuletzt bloss das gemeinsame Singen von Polts Afro-Hymne «E-mam-bele»: Ein skurriler Abschluss eines dreistündigen, bitter-schrägen bajuwarischen Heimatabends mit hohem Spassfaktor.

von Alois Feusi

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