VON HANS-PETER LEISTEN
AACHEN. Es ist im Grunde, wie es immer schon war. Die Bühne randvoll mit Instrumenten, Harfe Tuba, Kontrabass. . . Vier Stühle, vier Mikrophone. Das reicht. Wenn Gerhard Polt nach Aachen kommt, dann weiß er um seine Fan-Gemeinde. Und die Well-Brüder wissen das auch.
Dieses Trio, das zu zwei Dritteln aus der legendären Biermösl Blosn besteht, mit der der bayerische Kabarettist über Jahrzehnte für Furore sorgte. Und so steht dieses Quartett – eigentlich ein Trio und ein Einzelkünstler, aber doch ein kongeniales Quartett – auf der Bühne der Burtscheider Kurpark-Terrassen, in der auch der letzte Stuhl besetzt ist.
Die hochmusikalischen Well-Brüder, das sind Stofferl (alle Instrumente), Michael (alle Instrumente) und Karl Well (alle Instrumente), eröffnen das Programm, stellen ihren Herkunftsort Hausen („Der liegt im Dreieck zwischen Genf und Prag“) vor und dessen neueste Errungenschaft – den Kreisverkehr. Der ist aber so eng gebaut worden, dass das neue Einsatzfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr die Kurve nicht kriegt und jetzt einfach „immer geradeaus drüber brettert“.
Und so ist Hausen zu seinem „Shared Space“ gekommen – ein den Aachenern bestens bekanntes Reizwort aus der Umgestaltungsdiskussion vor dem RWTH-Hauptgebäude. Überhaupt greifen die Weller immer wieder lokalpolitische Themen auf, erweisen den Besuchern die Ehre und könnten so deren Herzen öffnen. Wenn das denn überhaupt nötig wäre. Aber alle Vier haben in Aachen ein Heimspiel.
Auch das ist, wie es immer schon war: Während die Well-Brüder ihren musikabarettistischen Feingeist versprühen, sitzt Polt scheinbar gelangweilt daneben und erhebt sich dann bärbeißig, um Klassiker der deutschen Philosophiegeschichte zu zitieren: „I hab‘s immer scho g’sagt“, „S‘ iss wie’s iss“ oder auch „Der Pichlmeier hat’s a g‘sagt“. Und was hat er gesagt? Polt dreht sich um sich selbst, sagt etwas und doch nichts – und der Zuschauer ahnt, dass gleich etwas Bitterböses über ihn hereinbricht.
In der Tat entlarvt der 71-jährige selbst ernannte „Hundskrüppel“ Archetypen des deutschen Kleingeistes. Zum Beispiel den Dorfvertreter, für den das 125-jährige Fest der Freiwilligen Feuerwehr kein Fest, sondern ein Mega-Event war. Mit internationaler Musik, weil die „Drei Hax’n“ aus Tirol sind auch aufgetreten. Und erst die Jugend. Auf die lässt er nichts kommen. Die hat sogar ein eigenes Edelweißzelt aufgestellt für ihr Anti-Drogenprojekt, für das von jeden verkauften Schnaps zehn Cent abgezwackt wurden: „1620 Euro san da z‘amkommen“. Es ist, wie’s immer war: Man muss lachen und darf es doch eigentlich gar nicht. Aber aus dieser schizophrenen Zwickmühle lässt der Polt einen nicht raus.
Der Auftritt der Well-Brüder ist aber auch ein musikalischer Hochgenuss, denn die Drei aus dem Biermoos sind echte Profis, und Könner. Vor allem Stofferl, der seine Vergangenheit als Solotrompeter bei den Münchner Philharmonikern und späterer Konzertharfenist immer wieder aufblitzen lässt. Gerade er steht aber auch für Neues, zum Beispiel mit seiner brillanten Milli-Bauer-Rap-Parodie als „Mr. Forty Cent“, der für einen fairen Milchpreis über die Bühne hüpft.
Es hat die Faszination des Fremdschämens, wenn Polt sich als großkotziger Auto-Fan outet, dessen „grünes Gewissen sich empört, als seine Frau bei der Ausstattung Betriebsknöpfe in Elfenbein“ will: „Krokodil-Leder wäre gerade noch gegangen.“ So muss er in seiner Karosse leben mit all den „potenziellen Suizidlern von der Wildsau bis zum Fußgänger, die sich nachts auf den Straßen herumtreiben“. Man lacht schon wieder und will es doch immer noch nicht.
„Gerhard Polt & und die Well-Brüder aus Biermoos“ stehen für hochintelligentes Kabarett, auch nach Jahrzehnten noch ewig jung. Sie schaffen den Spagat zwischen deftiger Unterhaltung und anspruchsvoller Zeitkritik. So, wie es bei ihnen schon immer war.
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