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„Damit a Ruah is“

Warum die Wellbrüder heute die Revolution ausrufen – 27.03.2014 17:27 Uhr

Die bayerische Revolution wollen die Well-Geschwister Christoph, Michael und Karl mit ihrer neuen Formation „Wellbrüder aus’m Biermoos“ am heutigen Freitag, 28. März, ab 20 Uhr im Gremsdorfer Forum der Barmherzigen Brüder ausrufen. Was das heißen könnte, verrät Christoph Well im folgenden Gespräch schon einmal ansatzweise.

Sie rufen zwei Tage vor der Stichwahl die bayerische Revolution aus. Wie dürfen wir das verstehen?

Christoph Well: Wenn wir eine Revolution ausrufen, dann frei nach Oscar Maria Graf: „Na mach ma hoit a Revolution, damit a Ruah is!“ Wir versuchen den Zuschauer einen vergnüglichen und unterhaltsamen Abend zu bereiten, der ihnen hoffentlich so viel Spass macht wie uns.

Sie und ihre Brüder stehen als neue Formation gemeinsam auf der Bühne — wie kam es zu dieser Konstellation?

Christoph Well: Nach dem Ausstieg von unserem Bruder Hans bei der Biermösl Blosn haben wir ein familieninternes Casting durchgeführt. Wir sind ja 15 Geschwister, und unser Bruder Karli hat es für sich entschieden, mit Zustimmung unserer Mutter, die ja mit ihren 94 Jahren noch immer die Fäden in der Hand hat. Der Michael übernimmt das Management, der Karli den Sound und ich kümmere mich um die Musik. Die Texte machen wir, wie früher bei der Biermösl Blosn, zum Großteil wieder zusammen. Aber Rollen spielen wir auf der Bühne nicht, da wir keine Schauspieler sind. Wir spielen uns höchstens selbst.

Den Namen Well verbindet man immer noch mit der Biermösl Blosn. Wie viel Biermösl steckt in den Well-Brüdern?

Christoph Well: Mindestens zwei Drittel, der Michael und ich. Der Programmaufbau, die Herangehensweise an ein Thema, der volksmusikalische Humus, das Nixscheißerte, die vielen Instrumente und die Freude am Spielen für’s Publikum sind, glaub‘ ich, gleich geblieben. Anders ist vielleicht, dass wir drei entspannter sind und uns, sowie den Zuschauern/innen, nix mehr beweisen müssen. Und inhaltlich bietet ja Bayern einen unendlichen Fundus an Themen, vom „System Sparkasse Miesbach“ über Darmspiegelungen von Ministerpräsidenten, die Resozialisierung vom Uli Hoeneß bis Doktorarbeiten aus Tschechien …

Franken wollen bekanntlich keine Bayern sein. Wie gehen Sie als Oberbayern an das fränkische Publikum heran?

Christoph Well: Ach, was wäre Bayern ohne Franken! Ohne Bratwürst, Söder, Boxbeutel, Beckstein, Dürerportrait, Greuther Fürth und Glubberer! Unvorstellbar, da möchte ich kein Bayer mehr sein. Und wissen Sie, die Oberbayern wollen keine Niederbayern sein, die Oberschweinbacher keine Unterschweinbacher, jeder will er selber sein und das ist doch in Ordnung. Wir haben keine spezielle Herangehensweise an ein Publikum. Wenn wir z.B. in Hamburg spielen, dann singen wir halt auch was über Hamburg, aber die Art des Auftrittes und unsere Sprache passen wir nicht dem Publikum an, dann wären wir ja nicht mehr wir selber. Und wenn die Hamburger unser Bairisch nicht verstehn, dann ist das ihr Problem. Bis jetzt hat das aber immer gut hingehau’n.

Waren Sie schon einmal im Landkreis ERH? Was verbinden Sie damit?

Christoph Well: Wir waren schon oft in eurem Landkreis, beim Poetenfest vor ungefähr 35 Jahren, zum Volkstanzspielen, mit dem Polt Gerhard im Markgrafentheater, in Hemhofen für den Irlinger Eberhard. Ich verbinde damit in erster Linie ein gut aufgelegtes und waches Publikum und sehr gute Karpfengerichte.

Was planen Sie für Ihre zukünftige Karriere?

Christoph Well: Wir drei schreiben gerade mit dem Gerhard Polt an einem Theaterstück für die Münchner Kammerspiele im Februar nächstes Jahr, ich mache meine Sendung „Stofferl Wells Bayern“, am 1. Mai kommt eine Folge über Coburg, mit unseren Wellkürenschwestern gibt’s bestimmt ein Nachfolgeprogramm von „Fein sein, beinander bleibn“, und wir werden weiter sehr genau der CSU auf die Finger schau’n. Ansonsten ist die „Kunst zu Leben“ viel wichtiger als eine Karriere, die war und ist uns eigentlich wurscht, also egal.

Ein abschließender Gruß an Ihr Publikum in Erlangen-Höchstadt?

Christoph Well: Wir freuen uns über jeden von Euch, der uns zuhört, auch wenn er oder sie evangelisch ist! Euerem Landkreis wünschen wir, dass die Fahrradwege gut ausgebaut werden, weil der Herr Balleis wahrscheinlich bald viel Zeit zum Radlfahr’n haben wird. A propos, nicht vergessen: Am Sonntag ist Stichwahl.

Interview: NN

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Brettlkünstler mit Rhythmus und Biss in Winterthur

Die Well-Brüder aus’m Biermoos kommen ins Casinotheater Winterthur
Die Brüder Well, die bis 2012 als Biermösl Blosn bekannt waren und seither als Well-Brüder aus’m Biermoos auftreten, gastieren «solo» in der Schweiz. Im Casinotheater Winterthur zeigen sie musikalisches Kabarett als Trio ohne Gerhard Polt.
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Winterthur, 10.03.2014: «Schau, das sind die Musiker von Gerhard Polt !», raunt ein Mann seiner Frau zu. Auch andere Gäste, die an diesem Freitagmittag Ende Januar im «Stumpenhof» im schwäbischen Plochingen speisen, recken die Hälse, als Stofferl (Christoph), Michael und Karli Well in die Gaststube treten. Denn Michael und Stofferl Well sind vom Fernsehen her bekannt, wo sie regelmässig als Biermösl Blosn zusammen mit Polt zu sehen sind – oder besser: zu sehen waren. Denn seit dem Weggang des dritten Bruders Hans vor zwei Jahren und nach rund 4200 Auftritten vor ca. 4,5 Millionen Zuhörern gibt es die Blosn nicht mehr. Das neu formierte Trio nennt sich jetzt Well-Brüder aus’m Biermoos . Karli, ein weiterer der 15 Sprösslinge der musikalischen Lehrerfamilie Well aus Günzlhofen im bayrischen Landkreis Fürstenfeldbruck, ersetzte Hans.

Feinschmecker auf Tournee

Derzeit sind die drei Multiinstrumentalisten und Wegbereiter einer neuen, lebendigen bayrischen Volksmusik mit politischem Inhalt ohne Polt unterwegs. Am Vorabend gastierten sie im benachbarten Altbach, und am Nachmittag geht die Reise weiter nach Geislingen in der Nähe von Göppingen. Dass sie zwischen den Auftritten gut essen, hat bei den Well-Brüdern Tradition. «Das hat uns der Gerhard beigebracht», sagt Michael. «Wenn man unterwegs ist, muss man sich das gönnen.» Über die Reiserei lerne man die Gastronomie kennen und mit ihr das Lebensgefühl einer Region, ergänzt Stofferl.

In der Schweiz traten die Musiker bisher selten ohne Polt auf. Deshalb werden sie hierzulande oft als dessen Begleitband betrachtet. Das ist allerdings grundfalsch, denn das Trio und der urige Kabarettist sind in jeder Hinsicht gleichberechtigte Bühnenpartner. Seit 1979 arbeiten sie zusammen. Die Well-Brüder waren von Anfang an für die Dramaturgie zuständig. Schliesslich traten sie seit ihrer Kindheit im Familienverband oder in kleineren Formationen an Feiern, Volkstanzabenden und auf Bühnen auf und lernten dabei sehr viel. «Die Mischung zwischen Wort, Lied und Musik hat der Vater wirklich beherrscht», so erinnert sich Michael.

Dass sie dereinst in einem im «Guide Michelin» aufgelisteten Gourmetrestaurant wie dem «Stumpenhof» auf so viel Sympathie und Wohlwollen stossen und dass manche Gäste sogar an ihren Tisch kommen und mit ihnen ein paar Worte wechseln würden, hätten sich Michael und Stofferl Well kaum träumen lassen, als sie Mitte der siebziger Jahre zusammen mit Hans die Biermösl Blosn gründeten . Damals traten sie auf Alternativbühnen und an Politveranstaltungen auf. Sie hausten in einem bescheidenen alten Bauernhaus in Nassenhausen am Rande des Biermoos, welches wiederum ein Teil des Haspelmoores ist. Das Dorf wurde später als «Hausen» und «Bad Hausen» zu einem zentralen Anker der Programme von Polt und der Brüder Well.

Ihre hochvirtuose Interpretation traditioneller Musik weit weg vom «Musikantenstadl»-Kitsch und ihre spritzigen Dreigesänge gegen den CSU-Filz, den bigotten Klerus, kalte Krieger, profitgeile Hauruck-Kapitalisten, AKW-Turbos und Landschaftszerstörer führten die Biermösl Blosn bald in die Münchner Kleinkunstszene und machten sie zum roten Tuch für die bürgerliche Gesellschaft.

Der bayrische Rundfunk, damals quasi das offizielle Hof-Organ der allmächtigen CSU, boykottierte sie jahrzehntelang und sogar noch, nachdem sie längst in der offiziellen Kulturwelt angekommen waren und zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten hatten. «Aber wir lebten eigentlich ganz gut vom Ruf, nicht im bayrischen Fernsehen auftreten zu dürfen», sagt Michael mit listigem Schmunzeln.

Doch inzwischen hat Deutschland den Atomausstieg beschlossen, die Kirche verliert an Einfluss, und die CSU ist zu einer normalen bürgerlichen Partei geworden. Und Stofferl Well macht regelmässig Sendungen für den bayrischen Rundfunk und besitzt sogar einen Mitarbeiterausweis. Die einstige Problemtruppe ist zum rundum gelobten bayrischen Kulturgut mutiert. «Wenn man sich selber nicht als Institution sieht und lebendig bleibt, ist das aber kein Problem», meint Michael.

Auf Bühnen und in Bierzelten

«Die alten Feindbilder gibt’s halt nimmer, auch wenn man sie gerne noch hätte», sagt Stofferl. «Ein Papst wie der Ratzinger bot eine bessere Angriffsfläche als der Francisco. Fürs Kabarett ist dieser Wechsel schlecht, für die Welt aber sicher gut. Und politisch ist ja ohnehin alles, der Milchpreis ebenso wie die Polizei.» Den mit 40 Cent viel zu tiefen Milchpreis etwa machten die Well-Brüder zum Thema ihres «40 Cent Rap» . Dabei liessen sich der klassisch ausgebildete ehemalige Solotrompeter der Münchner Philharmoniker und seine Brüder von der Musik des Rappers 50 Cent aus der CD-Sammlung von Stofferls 27-jährigem Sohn beeinflussen.

Es liegt auf der Hand, dass die Brüder Well mit einem solchen Musikverständnis bei den «Volksmusik-Ajatollahs» verhasst sind, wie Stofferl die ewiggestrigen Verbandsfunktionäre nennt, die noch immer der im «Tausendjährigen Reich» geprägten «volkstümlichen» Musik anhängen.

In den Bierzelten dagegen, in denen Polt und die Brüder Well ebenso oft auftreten wie auf Theaterbühnen, kommt diese offene Volksmusik gut an. Die Leute gingen ins Bierzelt, weil’s ein von einem Dorfverein organisiertes Fest mit Musik sei, sagt Stofferl. «Die Inhalte nehmen sie aber auch in Kauf. Wenn der Spott mit Humor daherkommt und lustig ist, gefällt ihnen das schon. 70 Prozent der Bayern sind eh Anarchisten. Die lachen über Polizistenwitze genauso wie ein linkes Publikum.» Und das Schönste daran sei, dass sie selber auf der Bühne auch eine Gaudi hätten, betont Karli. «Das Klatschen der Leute ist quasi ein Abfallprodukt.» Aber gewiss kein unerwünschtes, bleibt anzufügen.

 

Von Alois Feusi

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Jesuskind am bajuwarischen Wasserradl

Gerhard Polt und die Well-Brüder aus’m Biermoos: ein großartiges Gastspiel am Berliner Ensemble

Berlin, 27.02.2014: Der Mann muss in die Natur, also: in den Biergarten. Wo der schöne »Mai-Bock« lockt – der hat acht Prozent, »die gibt’s auf keiner Sparkasse«. Auch gilt es zu schwelgen vom Fest »125 Jahre Feuerwehr« in Hausen, »das kommt«, so hat der Ortsvorstand herausgearbeitet, »nur alle 125 Jahre vor!« Für jeden Edelweiß-Schnaps, der im Festzelt getrunken wurde, kamen 10 Cent in die Drogen-Präventivkasse für die Jugend des Dorfes – weit über 1000 Euro kamen zusammen! Nur diese »elende Sau« vom Lokalfernsehen hat berichtet, es habe Vergiftungen durch Rollbraten gegeben, »ja, mein Gott, das waren Rückläufer aus Afghanistan, Fleisch für die Taliban, aber die fressen das Zeug nicht.«

Gerhard Polt – Fortsetzung von Ödön von Horváth mit bajuwarischen Mitteln

Gerhard Polt – Fortsetzung von Ödön von Horváth mit bajuwarischen Mitteln;
Foto: dpa/Tobias Hase

Gerhard Polt. Sitzt, wenn er nicht redet, wie nebenbei auf der Bühne des Berliner Ensembles, gleichsam eine Randgestalt neben dem Instrumenten-Aufgebot aus Harfe, Klarinette, steirischem Akkordeon, Gitarre, Cello, Trompete, Kontrabass, Alphorn, Tuba, Drehleier. Deutschlands großer Kabarettist beim »Bayrischen Abend« in Berlin – mit den drei »Well-Brüdern aus’m Biermoos«, hervorgegangen aus der famosen Formation »Biermösl Blosn aus’m Biermoos«. Die Musikanten biegen Folklore ins grandios Sarkastische, sie zerfideln die Gemütlichkeit gekonnt in böse Bissen Muikclownerie, sie steigern sich in Gangsta Rapp (hier ein Ausschnitt des 40 Cent Raps im Berliner Ensemble), jodeln und schuhplattlern durch die aktuelle Politik.

Und Polt sitzt. Bedient mal eine Kuhglocke und »muht« auch mal. Wenn er aber aufsteht zu einem seiner Monologe, wird die Bühne klein, denn die Kraft wird groß, und es ist eine mulmige Kraft. Erinnernd an den lieben Fleischer in Ödön von Horváths »Geschichten aus dem Wiener Wald«, welcher der unglücklichen Marianne in sanfter Weise androht, sie entkomme seiner Liebe nicht. Ja, bei diesem Todesurteil darf man sich das weiche, fressenbreite Schweinebratengrinsen einer Gerhard-Polt-Figur vorstellen. Schon hat man jene süddeutsche Herzigkeit im Blick, die eine besonders mörderische Variante des Deutschen darstellt. Polt ist die Fortsetzung Horváths mit bajuwarischen Mitteln. Sprache stellt sich in den Dienst jenes Terrors zwischen den Menschen, der von ihren psycho-sozialen Hinfälligkeiten ablenken soll. Aber plötzlich liegen die da wie eine nackte, enthäutete Weißwurscht.

Polt beobachtet die unregelmäßig arbeitenden Hirne der bayerischen Menschen; wie sie im Gespräch einander verfehlen, wie ihr Kämpfen ab einem bestimmten Punkt sinnlos, aber doch heftiger wird; wie ein Schlagabtausch unter Verwundeten entsteht, die ihren Schmerz blind, also aggressiv weiterzugeben versuchen. Polt ist der große, wissende, böse mitspielende wie böse mitfühlende Spießergeselle auf deutscher Volkstheater-Bühne. Seine apokalyptischen Reiter sehen aus wie Menschen, trinken ihr Bier und bestellen »a Brotzeit, da schau her«. Immer die Kinderschänder sind es, die die schönsten Spielzeuge verteilen.

Kleinbürgerlich am Rande des Bäuerlichen, gemischt mit Akademikertum, imprägniert von Katholizismus, das ist Polts Galerie. Mit Ratzinger-Stimme fistelt er sich durch den klerikalen Sumpf, da weiß man sofort wieder um die trübe Neubedeutung einer »Kirche von unten«. Als Frau von der Dorfstraße denkt er über das leidige Problem der Minderheiten nach, »ja, was wollen die denn eigentlich, sind die sich denn nicht wenig genug, diese Elemente?« O Lob der Demokratie: »Hier hat jeder das Recht, sich anständig zu benehmen, gell!« Einer träumt vom CSU-Museum auf Weltniveau, und es tritt ein Hobby-Schnitzer auf, der Weihnachtskrippen bastelt »mit Wasserradl«. Der Kabarettist ist ein Mobil-Funker zwischen den Sozialwelten. Ein Abkömmling der Volkssänger, der Brettl-Komödianten, der Weißbier-Philosophen. Seine Monologe scheinen mitten ins Denken hineinzuführen und führen doch geradewegs aus ihm hinaus. Alles ist angelegt in der Behäbigkeit des breiten Mundes und jener langsamen Zeremonie, die aus Buchstaben Wörter macht; durchsetzt zudem von hehehe, äh…äh…äh, naa, jajaja …

Den hellsten Wahnsinn Lebensstoff präsentiert Polt unverschämt kindsköpfig; seine Finsterlinge gespenstern mitunter aufreizend verschämt. Er trägt nichts vor, er trägt uns etwas an. Schon mit jedem ersten Satz jeder Tirade sind wir in einer Geschichte, die sich betont mählich, durch schwer anrollende Halb- und Viertelsätze hindurch, zu einer Ordnung fügt. Hier zieht uns ständig jemand ins bittende Vertrauen, atemnah gleichsam, von seinem aufgewühlten Innenleben überrumpelt, von einem Gleichgewichtswanken der Welt bedroht.

So gütig wie böse; ja, Güte und Bosheit – ein bayrischer Knödel. Wie der Mensch überhaupt etwas Klumpiges ist, so erhaben wie lächerlich, so harmlos wie schlimm. Polt ist Gestrüpp-Kabarettist, er kommt aus dem Unterholz, aus dem Latschenkiefern-Geflecht, von dort, wo Schwüle aufsteigt, wo man das Kriechen beherrschen muss, wo die niederen Instinkte Hochkonjunktur haben. Wo der weiche Teppich liegt, unter den sich das Leben selber kehrt. Wo das Dasein höchstlebendig verfault. Polt kommt aus der Herbstzeit, da es wirbelnd herunterfällt, das Blatt vorm Mund. Oktoberfest als Dauerzustand. Jeder Satz ein Bodensatz.

Es wäre beruhigend, kämen die Gestalten als Monster daher. Aber sie bleiben Menschen, bei denen alles, was sie so schwer in Worte fassen können, nach Gesetz und Gemütlichkeit schmeckt; irgendwo dazwischen hat Hitler Platz. Mit schmucker Nieder-Tracht auf ins Wirtshaus! Es sind Denunzianten jener freundlichen Art, die uns just beim Anschwärzen was Gutes weismachen wollen. Die Satz-Enden scheinen oft Gedankenstriche zu haben; die Gedanken gehen auf den Strich, auf dem dann dumpf alles heimgezahlt wird.

Nicht, dass diese Leutchen keine Vernunft hätten; just die Vernunft ist es, auf die sie sich berufen können – wenn man darunter jenes geltende Vorurteil verstehen darf, das sich mehrheitlich durchgesetzt hat. Und freilich sind sie allesamt Demokraten. Nur ist die Demokratie leider zu frisch, als dass sie viel aushielte – traditionelle Verwüstungen im Herzen haben ältere Rechte. Und so schwadroniert man darüber, dass zu einem strahlend weißblauen bayrischen Himmel, rein ästhetisch, ein Neger einfach nicht passt. Am Ende zerstiebt der ganze Rassismus auf bezauberndste Art: Musiker und der singende Polt wiegen sich tanzend im mitreißenden Takt einer afrikanischen Weise …

Das Hinterlistige Polts besteht darin, dass er verführt – und uns Zuschauer doch gleichermaßen zum Souverän über diese miesen, fiesen Sehnsüchtlinge der straffen Hierarchie erhebt. Wir fallen ihnen mit entschiedenem Lachen ins Wort, aber was uns begegnet, ist jene Banalität des bösen Alltagsempfindens, der man in der Kneipe, in der Supermarkt-Schlange, im Bus oder sonst wo gern aus dem Wege geht. Weil diese Banalität so bieder, so beiläufig, so nachbarlich, so sorgend daherkommt. Weil man – o Schreck – sich selber begegnen könnte? Brausender Beifall!

Von Hans-Dieter Schütt.

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Well. Live. Brüder im Geiste.

Brüder im Geiste sind sie, die Well-Brüder ausm Biermoos. Und auch echte Brüder, wissen wir doch. Die Well-Brüder, das sind jetzt die Geschwister Nummara zwölf (Karli Well), dreizehn (Micherl Well) und vierzehn (der Stofferl) aus der Familien-Gang von den fünfzehn Wellis.Die Biermösl-Blosn gibt’s ja nur noch als Archivmaterial. Sie hat aufgehört gegen die Obrigkeit aufzuspielen, als sie nicht mehr länger „kratziger Außenseiter” war, sondern auf einmal “von allen geliebt und gehätscheltes Kulturgut“ wurde, wie 2011 herrlich episch im Abgesang der SZ auf die Blosn zu lesen war.

Stofferl am Dudelsack;
Foto: Von Christian Boiger / die Holzkirchnerei

Die Well-Brüder also. Wir haben uns die Wellis am Freitag beim Postwirt („Fellner“) in Großhelfendorf angeschaut. Großhelfendorf (Im Havas-Denglisch „GrowthHellFanDwarf“- wir berichteten!) liegt am äußersten Nordostzipfel des Holzkirchner Gäus und bekannterweise im Dunstkreis der Inselkammer-Imperiums (also des Bräu von Aying), was die drei Multi-Instrumentalisten sogleich satirisch verarbeiteten und ihr Heimatdorf „Hausen“ (aka Günzlhofen) im Gegensatz dazu als „Mozartdorf“ bezeichneten, weil doch der Amadeus mal auf der Durchreise vorbeigekommen sei.

Die Well-Brüder in Großhelfendorf; Foto: Von Christian Boiger / die Holzkirchnerei

Die Well-Brüder in Großhelfendorf;
Foto: Von Christian Boiger / die Holzkirchnerei

Mit dem Karli in der Mitte (unter dem Hirschgweih am Holztragwerk des „toskanisch“ ausgestalteten Postsaals) bot das Brüder-Trio die altbekannte, aber immer aktuell neu gewürzte Mischung aus politischer Satire, gefühlt 37 virtuos beherrschten Musikinstrumenten und deftigen Sprüchen.

So konnte das Publikum im ausverkauften Saal erfahren, warum die „Kreszentia von Valencia“ mit ihrem „Lover an die Costa Brava“ g’fahrn ist, was der Hannibal mit seinen Elefanten damals mit dem Händlmaier-Senf vorhatte und warum (wegen dem Hannibal eben) der spanische Flamenco vom Schuhplattl’n herkommt. Natürlich bekam die Politik (die mit dem „Sommerstoiber“, dem Pflicht-Trachtenanzug) auch ihr Fett weg: Da boten natürlich der Miesbacher Landrat Kreidl, der „Drehhofer“ und der Söder willkommene Zielscheiben für die humorvoll-spöttischen Verserl der Brüder. Auch der mittlerweile fast schon wieder vergessene Bischofs-Bazi Tebartz-van Elst kam zur Sprache, weil dieser klerikale Wirtschaftsförderer in seinem klösterlichen Exil in Metten offenbar schon wieder kräftig renovieren würde. Zur satirischen Weltsicht des Trios passten dann auch einige uralte bayrische Vier- bzw. Achtzeiler – Hier eine Kostprobe:

Auf beim Spund
D’ Welt geht z’grund
Wemma nimma leben
Samma nimma gsund
Kemma nimma sogn
„Auf beim Spund
D’ Welt geht z’grund“
-Bumm !

Unbestreibarer Höhepunkt nach der zwanzigminütigen Futterpause (ja mei, der Wirt will halt auch noch sein Gschäft machen) war natürlich die bayrisch-schottische Darbietung der Brüder mit dem Stofferl am Dudelsack und der später folgende Milchpreis-Räp „Forty cent“, bei dem vor allem wieder der Stofferl körperlich das Letzte gab und wie ein Teenie-Derwisch mit der Räpper-Mütze über die Bühne hupfte (immerhin ist der Stofferl auch schon ein Mittfuchziger!). Ein musikalisches Ultimatum an die Molkereien und Discounter für einen fairen Milchpreis: „Forty cent ! … oder da Müller-Milch brennt! … Forty Cent oder Bayern brennt!“ Nach diesem Heimat-Hip-Hop gab’s natürlich aus Ausklang noch die obligaten, aktuell betexteten Gstanzl, von denen wir hier den Refrain konservieren wollen:

Holla ridi radi holla hoppsassa
Hamma ned z’vui
Trogn ma ned z’schwaar
Hädd’ ma z’vui
Waar’s ned rar
So tuads’ as aa.

Mit einem ganz normalen Zugabe-Lied über das Sterben („irgendwann derbröslt’s uns olle!“) klang dann der Abend harmonisch wie melankomisch aus.

Well, thät’s hoid a Trädisch’n.

Next time in Holzkirchen! Oder, Burschn, wia waar dös ?

Little Milli in Aktion – Rapen für einen fairen Milchpreis;
Foto: Von Christian Boiger / die Holzkirchnerei

Von Christian Boiger / die Holzkirchnerei

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Bajuwarisch-bitterböser Ulk

Drei freundliche Unholde mit Alphorn und Lederhose.
Nicht nur Stubenmusik und Schuhplattler: Die Well-Brüder aus’m Biermoos können auch Gangsta-Rap.

Wenn drei Alphörner von der Bühne bis in die zweite Zuschauerreihe ragen und drei bajuwarische Stubenmusikanten unerbittlich alte und neue Polit-Skandale („Kennen Sie noch den Wiesheu?“) besäuseln, dann kann das nur eins bedeuten: Die Well-Brüder aus’m Biermoos sind da. Im Forum Friedrichsdorf haben sie am Donnerstagabend grandios geschuhplattelt, gejodelt und von den neusten Erkenntnissen ihres Kreisheimatpflegers – der Drechsler-Toni – erzählt. Grotesker bitterböser Ulk war das, garniert unter anderem mit Harfenklängen, Trompete, Tuba, Gitarre, Violine, Bassgeige, Drehleier und Xylophon. Bach gehört zum Repertoire. „Auch wenn der nur ein Protestant war.“ Mozart spielen sie und tanzen dazu Menuett.
Christoph und Michael Well gehörten vorher zu den Biermösl Blosn, die schon zweimal in Friedrichsdorf aufgetreten sind. Ihr Bruder Karl kam von den Guglhupfa. Insgesamt 15 Geschwister zählt die Familie – die drei auf der Bühne stellten sich als die Nummern 12, 13 und 14 vor.

Die Rippen der Heiligen

Über Friedrichsdorf waren sie schon gut informiert, zum Beispiel darüber, dass hier seit 1997 ein Grüner Bürgermeister ist. – „Zu der Zeit san in Bayern die Grünen noch eingsperrt worn.“ Und darüber, dass das historische Marie-Hensel-Haus dringend renoviert werden sollte.
Was es mit den Alphörnern auf sich hatte? Damit kann man prima „Yellow Submarine“, „Bi-Ba-Butzemann“ und „Freude schöner Götterfunke“ spielen, führten sie vor. Und das mit der Länge haben die drei Bayern den Hessen so erklärt: „Das sind Stubenmusik-Instrumente, dass Ihr Euch vorstellen könnt, wie groß unsere Stuben sind.“ Dann kam die Geschichte von der heiligen Algunda von Hausen, aus deren Rippen zuerst – am 30. Februar 1241, einem Samstagnachmittag – ein Musikinstrument gebastelt worden sei, und später Reliquien.
Aber dass jetzt bloß niemand glaubt, dass man mit bayerischer Lederhose keinen Gangsta-Rap singen könne: Rote Wollmütze auf, und schon geht es los, mit der Forderung der Milchbauern: „40 Cent für an Liter Milch – oder Bayern brennt.“
Die Gäste erfuhren dann noch, wie das Jodeln erfunden wurde: Nämlich weil’s damals so viele Schnaken gegeben hat, auf die man immer wieder draufhauen musste. Das wurde dann auch gleich vorgeführt. Und warum zumindest diese Bayern keine Probleme mit der NSA-Affäre haben: „Mein Passwort bringen die Amis eh nicht raus, das heißt nämlich Oachkatzlschwoaf (Eichhörnchenschweif).“ Für die hessischen Gäste hatten die drei freundlichen Unholde zum Schluss noch ein großzügiges Lob: „Ihr warts ein tolles Publikum, auch wenn ihr nicht alles verstanden habts.“
Artikel vom 25.01.2014, 03:00 Uhr (letzte Änderung 25.01.2014, 08:00 Uhr)

von Christiane Paiement-Gensrich

Bayerische Gaudi mit viel Gelächter

Kabarettist Gerhard Polt begeistert mit der Band „Die Well Brüder aus’m Biermoos“ die ausverkaufte Stadthalle

Singen, 16.12.2013: „Wir hätten die Stadthalle sogar zweimal füllen können“, freut sich Gaby Bauer vom Singener Kulturzentrum Gems über die ausverkaufte Veranstaltung. Sie weiß um Gerhard Polts Anziehungskraft. Und der bayerische Kabarettist war gern wieder nach Singen gekommen – wegen der guten Kontakte zur Gems, wie er vor dem begeisterten Publikum betonte.

Sie sorgten für beste Unterhaltunge (von rechts): Der bayerische Kabarettist Gerhard Polt und die herausragende Musikgruppe "Die Well Brüder aus'm Biermoos" mit Michael, Karl und Christoph Well. Bild: Zöller

Sie sorgten für beste Unterhaltunge (von rechts): Der bayerische Kabarettist Gerhard Polt und die herausragende Musikgruppe „Die Well Brüder aus’m Biermoos“ mit Michael, Karl und Christoph Well. Bild: Zöller

Gemeinsam mit der Musikgruppe „Die Well Brüder aus’m Biermoos“ sorgte Gerhard Polt für einen überaus unterhaltsamen Abend. Gleich zu Beginn bewiesen Michael, Christoph und Karl Well regionales Wissen. Die drei Brüder sangen zum Beispiel über den OB-Wahlkampf und das neue MAC-Museum und heizten die Stimmung an. Zünftig, urig, eben richtig bayerisch ging es zu – mit breitestem Dialekt, volkstümlicher Musik und sämtlichen Klischees, die den Bajuwaren anhaften.

Gerhard Polt zuzuhören, ist reinstes Vergnügen. In Cordhose und Trachtenjanker steht der 71-Jährige da und redet drauf los. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und beweist auf Schweizerdeutsch, Italienisch oder Russisch auch sein sprachliches Talent. „Politik ist viel zu unappetitlich“, ist Polt überzeugt und redet lieber über den im Bierkrug zurückgebliebenen „Auswurf“. Beste Nummer war zweifellos, wie Polt als passionierter Autofahrer über Fußgänger und Radfahrer lästerte und in englischem kauderwelsch über die Fahrzeugausstattung referierte. Dabei vergaß er kein einziges „Diiteil“ und die Zuschauer bogen sich vor Lachen.

Im Wechsel mit Polt präsentierten die Well Brüder ihre scharfzüngigen Lieder zu aktuellen Themen und beeindruckten mit ihrem herausragenden Können an einer Vielzahl von Musikinstrumenten. Einfach klasse: Christoph Well, der als Rapper mit dem Lied „40 Cent“ seinem Unmut über den Milchpreis Luft machte. Nach viel Gelächter waren die Zuschauer total aus dem Häuschen und forderten etliche Zugaben. „Everybody sings after“, forderte Polt beim gemeinsamen Schlusslied dazu auf, den afrikanischen Text nachzusingen. Klar, dass auch hier kein Auge trocken blieb.

von Karin Zöller.

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